Gründerzeit in Leipzig

Leipzig ist mit 15.672 Kulturdenkmälern - darunter 80 Prozent Gründerzeithäusern -Deutschlands Denkmalhauptstadt und besitzt den quantitativ und qualitativ größten Reichtum an Bauten der Gründerzeit und des Jugendstils.

Doch dieser Reichtum war in Gefahr: 1989 stellte ein Fernsehbeitrag die Frage: "Ist Leipzig noch zu retten?" Schockierende Bilder einer verfallenden Stadt mit tristenStraßenzügen und maroden Gründerzeithäusern gingen um die Welt. Von den257.000 Wohnungen waren 1990 ca. 196.000 sanierungsbedürftig, davon 103.000 ausder Gründerzeit. Trotz Wohnungsmangels in DDR-Zeiten standen rund 25.000Altbauwohnungen leer und waren unbewohnbar. Inzwischen sind über 70 Prozent aller Wohnungen aus der Gründerzeit vollständig saniert. Aus grauen Stadtvierteln sindattraktive und lebendige Wohnviertel geworden. Die öffentlichen Grünflächen nahmen um 30 Prozent zu.

Doch wie kam es dazu, dass heute in Leipzig - wie in kaum einer anderen Stadt -große, intakte Gründerzeitgebiete das Stadtbild prägen? Dieser architektonischeReichtum liegt im erstaunlichen Wachstum der Stadt zwischen 1871 und 1914begründet, bei dem die Einwohnerzahl von ca. 100.000 auf ca. 625.000 anwuchs. Imdaraus resultierenden Bauboom entstanden neben ausgedehnten Wohngebieten undVillenvierteln auch eine völlig neue Infrastruktur: Rathäuser, Postämter, Banken undKrankenhäuser. Zu den architektonischen Leitbauten dieser Zeit gehören u.a. dasNeue Rathaus, das ehemalige Reichsgericht und die Universitätsbibliothek. 2Der eigentliche Aufschwung der Großindustrie setzte um 1865 ein, nachdem 1861 diehemmende Zunftordnung abgeschafft und in Sachsen 1862 die Gewerbefreiheiteingeführt worden war. Große Impulse zur Industrialisierung gingen vonPrivatpersonen und Aktien- bzw. Terraingesellschaften aus. Mit denZuwanderungsströmen durch die Industrialisierung stieg die Nachfrage nachWohnungen. Die Antwort der sogenannten Gründerzeit darauf waren einheitlicheBebauungspläne und privatwirtschaftlicher Mietshausbau. Eine soziale Durchmischungder neu entstehenden Wohnviertel wurde garantiert, indem man in den VorderhäusernLadengeschosse und Kaufmannswohnungen einrichtete, in den ObergeschossenWohnungen für Angestellte und Handwerker sowie in den HinterhöfenArbeiterquartiere. Die Gesetzgebung von 1889 machte es für Versicherungen attraktiv,in Genossenschaften zu investieren und leitete damit einen Boom dieser Art desWohnungsbaus ein. Bis 1929 gab es ca. 30 Baugenossenschaften.Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm die Kommune für die vielen Wohnungslosenden Part des Bauherren. Es entstanden kleine, funktionale Wohnungen, einheitlich große, schlichte Gebäudekomplexe sowie Gemeinschaftseinrichtungen wie Waschhäuser und Grünanlagen.

Glücklicherweise brachte der Zweite Weltkrieg Leipzig nicht so große Zerstörungen wie anderen Großstädten. Die Nachkriegszeit war durch Vernachlässigung dererhaltenen Bestände gekennzeichnet, selten gab es Flächenabrisse. Heute sindehemals großbürgerliche Wohnviertel, z.B. in der Südvorstadt, im Musikviertel und imWaldstraßenviertel schon flächenhaft saniert. Die Altbaubestände in Connewitz,Plagwitz und Reudnitz haben sich z.B. zu bevorzugten Wohnstandorten von Studentenund jungen Familien entwickelt. Die gründerzeitlichen Wohnquartiere liegen citynahund sind fast alle vom Auenwald und großen Landschaftsparks umgeben. In guten Lagen übertrifft heute die Nachfrage das Angebot.

Doch das war nicht immer so. Nach der Wende zogen viele Leipziger fort, so dass dieStadt Ende der 1990er Jahre nur noch 437.000 Einwohner zählte. Durch den hohenWohnungsleerstand und den Wegfall der Sonderabschreibungen sanken die Preiseund Mieten auf ein niedriges Niveau. Auch wenn noch immer ca. acht Prozent dervermietbaren Wohnungen leer stehen, so verringert sich die Quote täglich. 3Laut einem im März 2007 veröffentlichten Bericht des Wirtschaftsmagazins "Capital"sagen Prognosen "ein weiteres deutliches Wachstum voraus. Leipzig bildet das Zentrum der mitteldeutschen Wirtschaftsregion mit hervorragenden Perspektiven. Kein Wunder, dass international agierende Investoren wie auch private Anleger Leipzig entdeckt haben."

Es gibt viele Möglichkeiten, sich in Leipzig auf die Spuren faszinierender GründerzeitArchitektur zu begeben, z.B. beim "Neustädter Frühstück", beim Gründerzeit-Spektakelim Zoo sowie bei speziellen Stadtführungen und Reiseangeboten.

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