Die Entwicklung der Städte war lange Zeit nicht im Fokus der Betriebswirtschaftslehre, wenngleich Städte in Zeiten der Globalisierung in immer schärferem Wettbewerb umArbeitskräfte und Unternehmen stehen, begründete HHL-Rektor Prof. Dr. AndreasPinkwart die Dringlichkeit des von ihm und seinen Kollegen Prof. Dr. Horst Albach, Prof.Dr. Heribert Meffert und Prof. Dr. Ralf Reichwald des Executive Boards von CASiMgewählten Themas der diesjährigen Konferenz.
So fehle es an geeigneten Modellen zur besseren Abschätzung und Gestaltung künftiger Entwicklungen von Städten. Genau hier setzte die diesjährige wissenschaftliche Konferenz des CASiM, dem Center for Advanced Studies in Management der HHL Leipzig Graduate School of Management, am 6. und 7.Juli 2016 an, in deren Mittelpunkt die europäische Stadt stand.Schon bei der Auswahl der Keynote-Speaer wurde viel Wert auf Interdisziplinarität gelegt,um die historischen, politischen, sozio-technischen und ökologischen Einflüsse auf die Entwicklung der Städte zu berücksichtigen.
So sprachen u.a. Frau Dr. h.c. Petra Roth(Oberbürgermeisterin a.D. von Frankfurt am Main und langjährige Präsidentin des Deutschen Städtetages) zu den Herausforderungen und Chancen des Stadt Managements und der Entscheidungs- und Kontrollstrukturen in der europäischen Stadt des 21.Jahrhunderts, Herr Prof. Dr. Ottmar Edenhofer (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) zur Pariser UN-Klimakonferenz COP21 und den Auswirkungen des Klimaabkommens auf die Stadt der Zukunft und Herr Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué(Staatsminister a.D. und Dekan Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Otto-von-Guericke Universität Magdeburg) leitete aus Theorien des dynamischen Wettbewerbsempfehlungen für die Stadtpolitik von morgen ab.
Eröffnet wurde die Konferenz von einem historischen Rückblick auf die unterschiedlichen Stadtformen und die frühen Formen der bürgerschaftlichen Mitwirkung an der Stadtpolitik durch Frau Prof. Dr. Susanne Rau (Universität Erfurt). Grundlegende Gedanken zum Beitrag der Betriebswirtschaftslehre für die erfolgreiche Stadtenwicklung wurden von Prof. Dr. Horst Albach, einem der Nestoren der deutschen Betriebswirtschaftslehre, entwickelt, der sich angesichts des globalen Wettbewerbsdrucks für eine fokussierte Profilierung der Städte sowie ihre unternehmerische Führung durch einen von ihm so bezeichneten „Schumpeter Oberbürgermeister“ aussprach.
Seine Überlegungen wurden in weiteren Beiträgen von Herrn Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß (Technische Universität Berlin) zum Strategischen Management von Städten, Herrn Prof. Dr. Dennis Hilgers (Johannes-Kepler Universität Linz) zum Stadtmanagement zwischen Innovation und Legitimation, sowie von HHL-Marketing-Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg und der Vorsitzenden der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing, Frau Bernadette Spinnen, aus Münster vertieft und weiter implementiert.
Wie genau der gefunden und gelebt werden kann, beschrieb sie am Beispiel der Universitätsstadt Münster. Die europäischen Städte, so fügte die Expertin an,haben verstärkt mit Menschen zu tun, die mit entscheiden möchten. Die Attraktivität von Städten würde in Zukunft daran gemessen, ob die Menschen sich einbringen, ob sie selbst die Stadt mit entwickeln, branden bzw. co-designen können.
Für das Standortmarketing sei die Einbeziehung der Menschen in die Kommunikation über eine Stadt ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Eine immer größere Bedeutung erhielte auch der Faktor Lebensqualität von Städten.
Wie betriebswirtschaftliche Methoden sehr konkret dazu beitragen können, Städte leistungsfähiger und zugleich umweltfreundlicher zu organisieren zeigte Prof. Dr. Erwin Pesch von der Universität Siegen in dem von Frau Prof. Dr. Iris Hausladen, Lehrstuhl fürIT-based Logistics an der HHL, moderierten Panel am Beispiel von Optimierungsproblemen, wie sie etwa bei Städten mit großen Überseehäfen auftreten.
Die von ihm verwendeten Methoden können auch helfen, überflüssige Verkehre zu vermeiden und autonomes Fahren künftig noch effizienter zu organisieren. In ihrem Grußwort verwies Leipzigs Bürgermeisterin und Beigeordnete für Stadtentwicklung und Bau Dorothee Dubrau auf die Relevanz der 2007 unterzeichneten„Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“.
In dem Dokument wird die soziale Balance innerhalb und zwischen den Städten, ihre kulturelle Vielfalt sowie eine hohe gestalterische, bauliche und Umweltqualität angemahnt. Mit Blick auf die so genannte„gemischte Stadt“ und hier: Mobilitätsideen für die Messestadt Leipzig, betonte die Politikerin u.a. die Herausforderungen an den öffentlichen Personennahverkehr undd urch die steigende Fahrradnutzung.
Entscheidend sei jedoch, mitden Bürgern ins Gespräch zu kommen. Hierfür habe Leipzig die Koordinierungsstelle„Leipzig weiter denken“ eingerichtet. An die Verantwortung der Städte, nicht nur im Rahmen eines strategischen„Wachstumsmanagements“ sondern auch in Bezug auf die Werte Freiheit, Solidarität und Toleranz, appellierte die langjährige Präsidentin des Deutschen Städtetages, Dr. Petra Roth.
In ihrem Vortrag verwies sie zudem auf die Diskrepanz zwischen den Handlungsspielräumen von Bund und Kommunen. Im Hinblick auf das große Potenzial in den Städten agiere die Bundesebene häufig viel zu langsam.
Für die Wettbewerbsfähigkeit von Städten, so auch Prof. Dr. Horst Albach, Mitbegründer des CASiM und neuer Ehrensenator der HHL, müsse die Balance zwischen Finanzen und Stadtautonomie neu austariert werden. Da in Deutschland die Verantwortlichkeiten auf Stadt, Region, Land sowie Bund verteilt seien, befänden sich die Kommunen in einem zu engen Korsett.