Auch wenn von außen wenig zu bemerken ist, im Inneren des Alten Rathauses in Leipzig gehen seit Monaten die Handwerker ein und aus. In den ersten Wochen des Jahres musste zunächst das historische erste Obergeschoss komplett beräumt werden, eine große logistische Herausforderung angesichts der Fülle von wertvollen jahrhundertealten Kunstwerken, Ausstellungsvitrinen, historischem Mobiliar, Kronleuchtern etc. Was nicht transportabel war, wie z.B. eine alte Kanzel, die Kamineinfassungen des 16. Jahrhunderts oder der historische Kachelofen in der Ratsstube, wurde aufwändig eingehaust und geschützt.
Bevor im Anschluss die Elektriker damit beginnen konnten, die veralteten Leitungen freizulegen und auszutauschen, mussten in Festsaal und Ratsstube auch die hölzernen Wandvertäfelungen abgenommen und gesichert werden. Sie stammen vom großen Rathausumbau von 1906 bis 1909. Dabei machten die Mitarbeiter der Tischlerei Lutz Dost aus Fuchshain im April dieses Jahres nun eine überraschende Entdeckung. Hinter der Verkleidung verbarg sich eine Nische und in dieser eine Bierflasche der Marke Riebeck mit einer Botschaft darin.
Der Tischlermeister der Firma Gündel & Busse schreibt darin am 13.3.1909 über die Fertigstellung der Wandverkleidung – er benutzt den altertümlichen Begriff „Lamperie“ dafür – bei „furchtbarem Schneewetter“. Inhaber dieser Firma waren Wilhelm Busse und Heinrich Gündel mit einer Fabrik in Neu-Mockau und einer Niederlassung in der Hamburger Straße, wie man dem Leipziger Adressbuch von 1909 entnehmen kann. Erwähnt sind auch die Mitarbeiter Willsenach und Kammel, die man ebenfalls im Adressbuch wiederfinden kann, den Tischler-Anschläger Oskar Willsenach aus Lößnig und den Schlosser Adolph Kammel, wohnhaft in der Elisenstraße (heute Bernhard-Göring-Straße).
Da der Bauabschnitt Ratsstube nun vor der Fertigstellung steht und die Wandverkleidungen wieder angebracht werden können, wird diese schöne Tradition fortgeführt und eine neue Zeitkapsel mit Botschaften an zukünftige Handwerker und Museumsbesucher*innen eingelegt. Die Zeitkapsel enthält u.a. eine Tageszeitung, Reproduktionen der alten „Flaschenpost“, den städtischen Baubeschluss zur aktuellen Baumaßnahme und eine Botschaft des Museumsdirektors Dr. Anselm Hartinger:
„In Anno Domini Zwei-Null-Zwei-Eins
Wird diese Kapsel zum Abbild des Seins.
Corona parieren,
das Rathaus sanieren,
dies war unser Werk - nun ergänze Du Deins!“
12.7.2021
Auch die jetzt agierende Tischlerei Dost wird eine eigene Zeitkapsel beisteuern.
Während es in den kommenden Wochen für die Elektriker mit den Bauabschnitten im Nord- und Ostflügel des Alten Rathauses weitergeht, wird parallel an der Sanierung der historischen Fenster sowie an der umfassenden Erneuerung von Besuchertresen und Garderobe gearbeitet. Der Abschluss der Baumaßnahmen ist für den Herbst geplant. Danach können die Porträts der sächsischen Kurfürsten, des Reformators Martin Luther und des Thomaskantors Johann Sebastian Bach wieder Stück für Stück an ihre angestammten Plätze zurückziehen. Frühjahr 2022 ist die Wiederöffnung für Museumsgäste geplant.