Welchen Beitrag leisten die führenden privaten und staatlichen Organisationen zum Wohl aller in der Stadt? Die Handelshochschule Leipzig (HHL) hat dazu in einer repräsentativen Studie die Leipziger Bevölkerung befragt. Damit ist Leipzig die erste Stadt, für die ein Gemeinwohl-Atlas erstellt wurde. Bisher wurden die Atlanten für Länder (Schweiz, Japan und Deutschland) erstellt. Gemeinsam mit dem Befragungsinstitut Forsa wurden 644 Personen im Alter zwischen 18 und 89 Jahren aus Leipzig im Juni/Juli 2020 bevölkerungsrepräsentativ befragt. Die Bürger bewerteten, wie eine Organisation ihrer Meinung nach zum Gemeinwohl beiträgt in den Bereichen Aufgabenerfüllung, Lebensqualität, Zusammenhalt und Moral. Die Befragten beurteilten dabei nur Organisationen, die ihnen ausreichend bekannt waren.
„Der GemeinwohlAtlas kann als eine Art Kompass fungieren, der nicht nur eine gute Standortbestimmung zulässt, sondern zugleich Potentiale im direkten Vergleich bietet.“
Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig
Öffentliche Einrichtungen, Vereine und Verbände liegen vorn
Sieger (wie auch im GemeinwohlAtlas Deutschland 2015 und 2019) ist die Feuerwehr, gefolgt vom Zoo Leipzig und dem Gewandhaus. Im Ranking dominieren – wie in vergleichbaren Studien auch – in der Spitzengruppe insgesamt öffentliche Einrichtungen, Vereine und Verbände. In der Schlussgruppe finden sich die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft, die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig, die Leipziger Volkszeitung, das Amazon Logistikzentrum Leipzig, die Arbeitsverwaltung Leipzig (Agentur für Arbeit und Jobcenter) und der 1. FC Lokomotive Leipzig. Aber auch sie kommen auf gute Bewertungen.
Aufwertung des Lokalen – Corona als Katalysator?
Die Leipziger Bevölkerung schätzt den Gemeinwohlbeitrag ihrer Organisationen im Mittel deutlich höher ein als die deutsche Bevölkerung insgesamt im GemeinwohlAtlas Deutschland 2019 (4,58 in Leipzig, 3,81 in Deutschland). Ausschlaggebend könnten die lokale Nähe, Spezifika in Leipzig, aber auch eine Art Corona-Effekt sein. Nach den Auswirkungen der Corona-Krise befragt, geben 60 von 100 Befragten an, dass durch die Corona-Krise das Gemeinwohl für sie an Bedeutung gewonnen habe. Alle betonen, dass Unternehmen dabei vor allem mehr auf Moral achten müssten. Überhaupt nimmt ein Drittel der Befragten sogar eher Abstriche bei der Kernleistung eines Unternehmens in Kauf, solange dieses in ihren Augen anständig handelt.
Gemeinwohl bewegt die Menschen
Zwei Drittel der Befragten würden lieber in einer Organisation arbeiten, die das Gemeinwohl hochhält, auch wenn sie dafür auf Gehalt verzichten müssten. Vier von fünf sind der Meinung, dass Organisationen bestraft werden sollen, wenn sie dem Gemeinwohl schaden. 59 Prozent der Befragten sind besorgt, dass dem Thema in Leipzig zu wenig Beachtung geschenkt wird. Im innerstädtischen Vergleich wird deutlich, dass insbesondere im Süden die meisten kritischen Stimmen zu finden sind. Setzt man die aktuelle Befragung ins Verhältnis mit der gesamtdeutschen Erhebung im GemeinwohlAtlas 2019, dann zeigt sich, dass sich die Leipziger Bevölkerung weniger Sorgen um das Gemeinwohl in Deutschland macht. Die Leipziger sind im Vergleich mit anderen Erhebungen auch optimistischer, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt angeht als die Deutschen insgesamt. Sie nehmen dabei die Wirtschaft in ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl in die Pflicht: 83 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass privatwirtschaftliche Unternehmen eine hohe Verantwortung für das Gemeinwohl haben.
Mit der Wiedervereinigung Veränderung des Gemeinwohls
Vor dem Hintergrund des Transformationsprozesses seit der deutschen Wiedervereinigung ordnen sich die Ergebnisse des GemeinwohlAtlas Leipzig wie folgt ein: Für 71 von 100 Befragten hat sich die Vorstellung davon, was Gemeinwohl bedeutet, in den neuen Bundesländern seit 1990 deutlich gewandelt. Insbesondere ältere Befragte sind eher dieser Meinung. Vor allem wird ein Verlust des Miteinanders zugunsten einer gewachsenen Ellenbogenmentalität konstatiert. Die Ost-WestDifferenzen bestehen fort: Nur 26 von 100 Befragten empfinden die Vorstellungen über Gemeinwohl in den neuen und alten Bundesländern als gleich.
Professor sieht Leipziger Optimismus als Erfolgsfaktor
Projektleiter Prof. Dr. Timo Meynhardt zur Studie: «Die aktuelle Wachstumsdynamik der Stadt zeigt sich auch im GemeinwohlAtlas. Der Grundoptimismus der Leipziger Bevölkerung ist ein Pfund, mit dem Leipzig wuchern kann. Die Zukunft aller Akteure in der Stadt wird entscheidend davon abhängen, wie sie ihre Gemeinwohlrelevanz vor Ort nachweisen und sich insbesondere in ihren Kernaufgaben zum Wohle von Leipzig einbringen. Vor dieser Herausforderung stehen bundesweit viele Städte. Leipzig geht hier voran.»
Detaillierte Ergebnisse unter:
www.gemeinwohlatlas.de