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Gewandhaus-Bläserquintett, Foto: Gewandhaus zu Leipzig
Gewandhaus-Bläserquintett, Foto: Gewandhaus zu Leipzig

Neu im Audiostream des Leipziger Gewandhausorchesters: 125 (?) Jahre Gewandhaus-Bläserquintett

Ab 29. März 2022 um 17 Uhr im Audioplayer

29.03.2022 Kultur
Gewandhaus zu Leipzig

Auch wenn der Spielbetrieb im Gewandhaus zu Leipzig seit 17. Januar 2022 wieder aufgenommen werden konnte, werden die Audiostreams auf  www.gewandhausorchester.de fortgesetzt. Noch immer können oder wollen nicht alle interessierten Konzertgäste ins Gewandhaus kommen; sei es, weil die Platzkapazität beschränkt ist oder weil die Gäste vorsichtig sind, sich in größeren Menschengruppen zu bewegen. Es gibt also weiterhin gute Gründe, mit dem Audiostream neu produzierte Musik zu den Menschen zu bringen.

Als bis auf weiteres letzter Stream der Reihe ist eine Aufnahme des Gewandhaus-Bläserquintett zu hören, das 1896 gegründet worden sein soll und das  – sollten die Quellen Recht behalten -  im vergangenen Jahr 125. Geburtstag gefeiert hat.

Anonymus (früher Joseph Haydn (1732-1809) zugeschrieben)
Divertimento B-Dur Hob. II:46 (»Feldpartie St. Antonius«)
2. Andante quasi Allegretto. Chorale St. Antoni

Theodor Blumer (1881-1964)
Quintett für Blasinstrumente op. 52
1. Sehr frisch und feurig

August Klughardt (1847-1902)
Quintett für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott C-Dur op. 79
2. Allegro vivace

Das Gewandhaus-Bläserquintett ist eins der ältesten Ensembles dieser Art. Seit seinem Beginn vereint es immer 5 Solo-Bläser des Gewandhausorchesters, es tritt in den Kammermusikreihen des Gewandhauses auf und produziert regelmäßig Tonträger-Produktionen. Die älteste Aufnahme mit Gewandhausmusikern überhaupt wurde vom Gewandhaus-Bläserquintett eingespielt.

Bläserkammermusik erlebt m späten 19. Jahrhundert eine Blütezeit. So entstehen Werke wie August Klughardts Quintett, aus dem im Stream der 2. Satz zu hören ist. Vermutlich schrieb Klughardt das Stück sogar für die Bläser des Gewandhausorchesters. Es werden am Leipziger Konservatorium Bläserklassen eingerichtet und die Gewandhaus-Bläser werden immer wieder erwähnt – darunter herausragende Musiker wie der Flötist Maximilian Schwedler, der Fagottist Julius Weissenborn, der Hornist Gumpert und der Oboist Alfred Gleißberg, die auch in verschiedenen kammermusikalischen Konstellationen auftreten.

Greifbar wird die Gründung des 1. Gewandhaus-Bläserquintetts um den Oboisten Gleißberg im Jahr 1920. Es tritt zunächst außerhalb des Gewandhauses auf (November 1920). Schon ein halbes Jahr später (Februar 1921) erscheint eine zweite Formation: die Gewandhaus-Bläservereinigung um den Flötisten Carl Bartuzat. Der Fagottist dieses Ensembles Günter Weigelt arrangiert Musik für Quintett, Komponisten widmen ihm neue Werke. Beide Quintette gehen auf Reisen, spielen Uraufführungen und sind im Radio zu hören. 1924 kommt erstmals das Gewandhaus-Kammermusikpublikum in den Genuss eines Quintett-Abends.

In den 1930er Jahren löst sich das 1. Gewandhaus-Bläserquintett auf und die Gewandhaus-Bläservereinigung übernimmt deren Namen, unter dem sie bis heute fortbesteht – also seit über 100 Jahren.

Ob es allerdings schon vor 125 Jahren zur Gründung des Gewandhaus-Bläserquintetts kam, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Beim Tod des Oboisten Gleißberg im Jahr 1963 ist erstmals zu lesen, er habe das Ensemble 1896 gegründet – er selbst hat das nie behauptet, und auch sonst gibt es dazu keine Zeugnisse.

Die Werke im Stream

Eines der prominentesten Werke Joseph Haydns stammt gar nicht von ihm. Und die bekannteste Melodie darin noch viel weniger. Denn wer immer das Divertimento in B-Dur komponierte, das Anthony van Hoboken als II:46 in das Werkverzeichnis Joseph Haydns aufnahm: Er griff beim berühmten 2. Satz »Chorale Sancti Antonii« auf eine bereits existierende Vorlage zurück. Johannes Brahms festigte den zweifelhaften Ruhm des Stücks, indem er es seinen »Variationen über ein Thema von Haydn op. 56« zugrunde legte. Die vier Sätze waren für je zwei Oboen, Hörner und Fagotte mit verstärkendem Bass-Instrument bestimmt – eine vor Erfindung des Bläserquintetts weit verbreitete Formation. Glücklicherweise war der Komponist (Haydns Schüler Ignatz Pleyel?) ein solider Künstler: Dass ein Kenner wie Brahms das Werk für »echten Haydn« halten konnte, spricht für seine Fähigkeiten.

Die zu Lebzeiten vielbeachteten Komponisten, Pianisten und Dirigenten Theodor Blumer und August Klughardt, Schöpfer mehrerer Opern und großer Orchesterwerke, hätten sich wohl nicht träumen lassen, dass ausgerechnet die Quintette für Bläser dereinst zu ihren bekanntesten – um nicht zu sagen: einzig halbwegs bekannten – Werken werden sollten. Den beim Dresdner und Leipziger Rundfunk und deren Ensembles tätigen Korrepetitor und Kapellmeister Theodor Blumer, der unter anderem bei Felix Draeseke studiert hatte, verband eine enge musikalische Partnerschaft mit dem Bläserquintett der Königlichen Musikalischen Kapelle Dresden. Diesem Ensemble stand er nicht nur als Pianist zur Seite, ihm dachte er auch einen Großteil seiner Kammermusik für Bläser zu. Das Quintett op. 52 erschien bei einem weiteren wichtigen Weggenossen Blumers, dem Leipziger Verleger Wilhelm Zimmermann, mit der Widmung an die »erste Bläservereinigung der Dresdner Staatsoper«. Früh fand sich die humorvolle, ein wenig wie »Richard Strauss en Miniatur« klingende Komposition auf Konzertprogrammen der Leipziger Bläservereinigungen wieder, etwa als das Gewandhaus-Bläserquintett um den Oboisten und potenziellen Gründungsvater Alfred Gleißberg am 16. Dezember 1924 erstmals eine Gewandhaus-Kammermusik gestaltete. Noch tiefer in der Ensemblegeschichte verwurzelt ist das Bläserquintett op. 79 von August Klughardt, der als Kapellmeister in Weimar, Neustrelitz und Dessau wirkte. Die hervorragenden Instrumentalisten der Weimarer Hofkapelle dürften Klughardts Vorliebe für Bläserkammermusik begründet haben. Mit einem Quintett der Neustrelitzer Hofkapelle trat der Liszt- und Wagner-Jünger regelmäßig auf, und auch an Kammermusiken im Gewandhaus wirkte Klughardt mit, sodass spekuliert wurde, sein um 1898 entstandenes Quintett könnte mit der Frühgeschichte der Gewandhaus-Bläserkammermusik in Verbindung stehen. Auffällig ist jedenfalls, dass Klughardts Quintett einen der ersten greifbaren Auftritte des Gewandhaus-Bläserquintetts um Gleißberg am 8. November 1920 eröffnete und 1923 für die erste Tonaufnahme des konkurrierenden Gewandhaus-Bläserquintetts um den Flötisten Carl Bartuzat erwählt wurde.



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