Vor dem Hintergrund aktueller politischer Polarisierungen und der Erschütterung demokratischer Werte weltweit stellt DOK Leipzig in seiner 60. Ausgabe zukunftsweisende Strategien für Kunst und Politik zur Debatte. Das diesjährige Leitmotiv des Festivals heißt Nach der Angst und zieht sich als roter Faden durch die Sonderprogramme.
Die Retrospektive widmet sich 100 Jahre nach der Oktoberrevolution filmischen Strategien der Machtrepräsentation totalitärer Regimes seit 1917. Das Programm bringt die geografische und zeitliche Variationsbreite der Bildpolitik kommunistischer Herrschaft zur Anschauung und offenbart, wie damals eingesetzte Methoden auch in derzeitig überhitzten politischen Auseinandersetzungen Anwendung finden.
Der Länderfokus des Festivals liegt 2017 auf Georgien. DOK Leipzig würdigt mit der Reihe nicht nur ein Land, dessen florierende Filmkunst seit einigen Jahren auf internationalen Festivals Beachtung findet, sondern eröffnet auch den Blick auf eine Region, die im Zuge ihrer Loslösung von der sowjetischen Vergangenheit ein neues Selbstverständnis entwickeln musste.
Die diesjährige Hommage ist dem US-amerikanischen Filmemacher Jay Rosenblatt gewidmet, der ein Meister des dekonstruierenden Umgangs mit filmischen Archivmaterialien ist. In seinem experimentellen Schaffen befreit er Bilder und Töne aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang, ermöglicht neue Assoziationen und Interpretationen.
Weitere Sonderprogramme fügen sich in das Festivalmotto ein. Das diesjährige Jugendprogramm befasst sich filmisch mit der Realitätsflucht Jugendlicher, welche durch spielerische Verkleidungen (sog. ‚Cosplays‘), Rollenspiele oder Games dem Alltag entweichen.
Dabei hinterfragt das Programm einerseits Ursprung und Notwendigkeit dieser Weltfluchten, legt andererseits aber auch Kreativität und Potenzial offen, die im Entstehen neuer Realitäten liegen. Ein Animations-Sonderprogramm in Anlehnung an das Festivalmotto sowie eine DEFA-Matinee komplettieren die Sonderreihen.
Das Festivalmotto zieht sich nicht nur als roter Faden durch die Sonderprogramme, sondern nimmt in der 60. Ausgabe von DOK Leipzig auch Bezug auf die wechselvolle Geschichte des Festivals. Leena Pasanen: “Filmschaffende und Publikum suchten seit Gründung des Festivals zu Zeiten der DDR in der Dokwoche – trotz Zensur und Einflussnahme - Freiräume, angstfreien künstlerischen Austausch, einen Fluchtpunkt. Mit Bezug auf die Festivalgeschichte und im Hinblick auf die Zukunft wollen wir mit unserem Programm Werte hochhalten, welche die Festivalgründer zu verteidigen suchten:
Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit und Menschenwürde. Gleichzeitig lehrt die Festivalgeschichte, dass nach der Angst auch vor der Angst sein kann. In der DDR folgten auf tendenziell liberale Festivaljahre auch Jahre, in denen der Staat seine Zensur rigider auf die Dokwoche anwandte. Wir müssen stetig für demokratische Werte kämpfen.“
In diesem Jahr findet DOK Leipzig vom 30. Oktober bis 5. November statt. Insgesamt laufen während der Festivalwoche in der Offiziellen Auswahl sowie den Sonderprogrammen erneut über 300 Filme aus der ganzen Welt. Die Auswahl der Beiträge für die Offizielle Auswahl findet indes, wie in den Jahren zuvor, unabhängig vom Festivalmotto statt.