In den frühen Morgenstunden kreiste ein Bauer um die Siegessäule in Berlin. 76 Jahre nach dem Beginn des zweiten Weltkrieges und 75 Jahre nachdem an der Siegessäule lebenswichtiges Gemüse angebaut wurde, erinnert er als Wiedergänger an die Nachkriegszeit. Und daran, dass die Siegessäule als kriegerisches Siegesdenkmal weitestgehend unkommentiert im Herzen der Hauptstadt steht.
Die Schaubühne Lindenfels Leipzig rekonstruierte gestern das historische Bild von 1946 im Rahmen ihres europaweiten Projektes ZUCKER.RAUSCH.GERMANIA. Ein inszeniertes Fotoshooting des Nachkriegsmotives als künstlerische Intervention.
Die Siegessäule ist inzwischen zum touristischen Anziehungspunkt, Wahrzeichen und Kulisse für Happenings der Deutschen geworden. Als prominentes und umstrittenes Symbol des Nationalismus und Mahnmal der blutigen Vergangenheit Europas steht sie im Zentrum der Aktion, bei der gleichzeitig ein Pferd aus Zucker um den Leipziger Marktplatz kreist. Weitere Interventionen in Brno und Strasbourg liefern die europäische Perspektive.
150 Jahre nach dem Ende des deutsch-französischen Krieges und der Gründung des Deutschen Reiches wollen die Initiator:innen die Debatte über den Umgang mit umstrittenen Monumenten anregen. Man kann sie abreißen oder auch stehen lassen – und kommentieren. Eine künstlerische Intervention über Krieg, Nachkrieg, Versöhnung und Zukunft. Nachkrieg in den Fokus zu nehmen, heißt die Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen aufzuzeigen, die bis heute wirken: Traumata, Mangel, Zerstörung – auch von zivilgesellschaftlichen Strukturen.
Weitere Infos unter:
www.schaubuehne.com/schauschau/zuckerrauschgermania