Das Kunstkraftwerk Leipzig präsentiert eine weitere Konversion eines großen literarischen Werkes: Nach “Alice im Wunderland” ist die neue immersive Kunstinstallation vom Buch „Die unsichtbaren Städte“ inspiriert. Der italienische Autor Italo Calvino veröffentlichte 1972 erstmal sein Werk unter dem italienischen Originaltitel “Le città invisibili”.
“Le Città invisiblli – Die unsichtbaren Städte”
In Calvinos Buch berichtet Marcol Polo, der große venezianische Asien-Reisende des späten 13. Jahrhunderts, dem alternden Mongolenherrscher Kublai Khan in dessen Palast zu Kambaluk, dem heutigen Peking, durch welche Städte er auf seinen Inspektionsreisen durch das weitläufige Reich gekommen ist. Sein Herr Kublai Khan ist der Begründer der Yuan-Dynastie - und somit Kaiser von China. Der alternde Herrscher residiert müde und machttrunken in seinem prächtigen Palast. Dort empfängt er auch Marco Polo und erfährt vom Venezianer erstaunt vom langsamen Verfall seines Reiches.
Die neue Immersion im Kunstkraftwerk Leipzig macht sich Geist des visionären Weltreisenden Polo zu Eigen: Der Raum, in dem die die Videoinstallation gezeigt wird, verwandelt sich durch die Projektionen. Sie erzählen dem Zuschauer von den “Unmöglichen Städten”. “Invisible” wird ab 1. Februar in der Kesselhalle des Kunstkraftwerks gezeigt und dauert ca. 13 Minuten. Jeder der imaginären Orte entsteht aus dem Zusammenprall einer realen und einer idealen Stadt. Das Werk der italienischen Immersionskünstlerinnen Ginevra Napoleoni und Francesca Scarponi lebt vom Gegensatz zwischen dem realen Bild, die wir von einer herkömmlichen Stadt haben und der Vision einer erträumten, idealen Stadt. Basierend auf diesen Gegenpolen werden in der eindrucksvollen Immersion Geschichten erzählt, die in einer Dimension der “surrealen Realität" spielt. Die Zeit zieht alles mit sich, in einen Fluss, einen Wirbel, der schließlich zum Zerfall ihrer selbst führt. Untermal und begleitet wird die Immersion von der Originalmusik von Luca Longobardi.
Aufwändige Kombination aus Handarbeit und digitalen Techniken
Die beiden Künstlerinnen Ginevra Napoleoni und Francesca Scarponi sind keine Unbekannten im Kunstkraftwerk Leipzig: Beide arbeiteten bereits im Kollektiv um Gianfranco Iannuzzi an Werken wie “Giganten der Renaissance” mit. In “Invisible” nutzten beide eine andere, aber ebenso aufwändige Technik, um die “Unsichtbaren Städte” mit Leben und vielen realistischen “Wow-Effekten” zu erfüllen. “Für die Gesichter, die zum Beispiel im Kapitel der Unterirdischen Stadt wortlos miteinander kommunizieren, haben wir mein eigenes Antlitz in verschiedenen Mimiken fotografiert. Diese Bilder haben wir auf Fotopapier ausgedruckt, ausgeschnitten und jedes einzelne Gesicht per Hand coloriert”, sagt Regisseurin Napoleoni, die neben den Animationen auch am Drehbuch und an den Visuals mitgearbeitet hat. “Die colorierten und bearbeiteten Gesichter haben wir dann neu digitalisiert und wieder in das Video eingearbeitet.” Insgesamt haben Napoleoni und Scarponi rund ein halbes Jahr an der neuen Immersion gearbeitet.
Deutsche Übersetzung erschien in Ost und West
Die deutsche Übersetzung der „Unsichtbaren Städte“ erschien 1977, interessanterweise fast zeitgleich in beiden deutschen Staaten, der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Der Inhalt wurde in den beiden Ländern unterschiedlich rezipiert, doch zeigen die 55 Einzeltexte im Buch Parallelen zum unmittelbar bevorstehenden, tiefgreifenden Wandel im Osten und Westen Deutschlands. Calvino hat die zahlreichen Kapitel sicher nicht als Gleichnis auf die politische und gesellschaftliche Situation im fernen Deutschland verfasst – doch könnten sie als solche gelesen werden.