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Lulu Obermayer: Lulu, Foto: Julian Baumann
Lulu Obermayer: Lulu, Foto: Julian Baumann

Drei Wochen „Lulu Komplex“ in der Schaubühne Lindenfels

Von grotesker Zirkusshow über musikalisch-visuelle Achterbahnfahrt und Geisterbeschwörung bis Stummfilmklassiker

24.04.2025 Kultur
Schaubühne Lindenfels

Mit „Lulu Komplex“ präsentiert die Schaubühne Lindenfels drei Produktionen, die sich dem berühmten Lulu-Stoff sowie der Musik Alban Bergs mit innovativen künstlerischen Formaten jenseits stereotyper Adaptionen nähern. Die Berliner Musiktheater-Combo glanz&krawall revanchiert sich mit einer grotesken, antipatriarchalen Zirkusshow, die Oper mit Sprechtheater und Electro Punk hemmungslos zusammenführt, an den von Männerfantasien geprägten Femme-fatale-Zuschreibungen. In einer bildstarken Solo-Performance begibt sich Lulu Obermayer auf die Spuren ihrer Namensgeberin und entwirft in einer Art Geisterbeschwörung ein komplexes Bild der Figur. Das interdisziplinäre Projekt „1023“ inszeniert die „Lyrische Suite“ von Alban Berg als Expanded Concert, in dem visuelle und performative Elemente mit einer hochkarätigen musikalischen Live-Aufführung durch das Münchner Zentaur-Quartett zusammentreffen und neue Perspektiven auf das Werk eröffnen. Ein Klassiker rundet das Ganze ab: der Stummfilm „Die Büchse der Pandora“ aus dem Jahr 1929 mit Louise Brooks als Lulu.

Lulu: Revanche im Zirkuszelt“
Musiktheater von glanz&krawall
Fr, 2. und Sa, 3. Mai 2025 | jeweils 20 Uhr

1023 : Lyrische Suite von Alban Berg“
Expanded Concert
Fr, 9. und Sa, 10. Mai 2025 | jeweils 20 Uhr

Lulu“
Performance von Lulu Obermayer
Fr, 16. und Sa, 17. Mai 2025 | 20 Uhr

Die Büchse der Pandora“
Stummfilm Deutschland 1929 von Georg Wilhelm Pabst
Di, 6. Mai | 21 Uhr und So, 11. Mai 2025 | 15.30 Uhr

Die drei Bühnenproduktionen

LULU: REVANCHE IM ZIRKUSZELT
Musiktheater von glanz&krawall

Theorien von Männern über „das Wesen der Frau“ prägen seit Jahrhunderten die westliche Kunst-und Geistesgeschichte und tragen verlässlich dazu bei, Patriarchat, binäre Geschlechterordnung und anderen Quatsch als Machtsysteme zu erhalten. Die Musiktheater-Combo glanz&krawall startet deshalb eine bitterböse Revanche: Die Protagonistin aus Alban Bergs Opernfragment und Frank Wedekinds Dramen „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ Lulu – im Eröffnungsmonolog vom Tierbändiger als gefährliche Schlange präsentiert – besetzt jetzt die Manege und präsentiert ihre groteske, antipatriarchale Zirkusshow. Hier trifft Zwölftonmusik auf Electro-Punk, Popcorn auf Hochkultur, Oper auf Circus. „Lulu: Revanche im Zirkuszelt“ revidiert die eingeschriebenen Männerfantasien der Vorlagen, kehrt das Unterste zuoberst und legt den gesellschaftskritischen Aspekt von Wedekinds Lulu-Dramen wieder frei – das rigide und gewaltsame Gebaren der Typen und Schmollis. Das Interventionskommando bilden die Schauspielerin Lisa Heinrici, die Sopranistin Marieke Wikesjo und die Musikerin und Performerin Nolundi Tschudi. Um Synthesizer, E-Gitarre, Akkordeon und singende Säge gruppiert sich das Frauen-Trio und kreiert eine Synthese aus Oper, Sprechtheater und Electro Punk. Motive und Fetzen von Berg und Wedekind, Stummfilmpapst Pabst bis hin zum Lulu-Album der US-Barden Lou Reed und Metallic verwursten die Lulu-Komplizinnen hemmungslos! Gegen das schöne Sterben, die immergleichen Femme fatale-Zuschreibungen und die Beschränktheit einer männlich dominierten (Kunst-)Welt.

„Lulu: Revanche im Zirkuszelt“ ist nach „Catch3000“ und Trinkerpark“ die dritte Zusammenarbeit von glanz&krawall und der Schaubühne Lindenfels. Premiere feierte das Stück im September 2024 auf dem Tempelhofer Feld in Berlin – im dortigen Zirkus Cabuwazi.

glanz&krawall sind eine Berliner (Musik)-Theatergruppe um die Regisseurin Marielle Sterra und den Dramaturgen Dennis Depta. In ihrem spartenübergreifenden Musiktheater suchen sie seit 2014 unbekümmert die Konfrontation mit dem Rest der Gesellschaft – von der Hochkultur der Oper bis zur poetischen Verlorenheit eines Alleinunterhalters in der Dorfdisko. Dafür holen Sterra und Depta Formate wie Wrestling, Circus, Punkkonzerte oder Trabrennen in Theaterräume und bringen ihr Theater in den Stadtraum, z.B. in Clubs, Strandbäder oder Psychiatrien. glanz&krawall arbeiten generationenübergreifend mit Profis und Laien. Ihre Stücktexte entstehen im Probenprozess gemeinsam mit den Performer:innen. Seit 2019 initiieren sie in Berlin die inklusive Theater- und Musik-Festivalreihe BERLIN is not… 2022 riefen glanz&krawall am Volkstheater Rostock die Partei DEUTSCHE BIERTRINKERINNEN UNION ins Leben. Im Dezember 2024 feierte ihr Bürokratie-Musical mit Theater Thikwa - DIE TÜTEN AUS DER VERWALTUNG - Premiere.

Tickets in der Schaubühne, online über www.schaubuehne.com und an allen Reservix-VVK-Stellen: 18 / 12 (erm.) Euro

1023 : LYRISCHE SUITE VON ALBAN BERG
Expanded Concert

„Kunst kommt nicht vom Können, sondern vom Müssen“ – diese Ansicht Arnold Schönbergs übernahm auch sein Schüler Alban Berg. Doch seine „Lyrische Suite“ für Streichquartett vereint beides: komplexe Kompositionstechnik, die durch einen inneren Drang entstand.

Im emotionalen Durcheinander einer unerlaubten und deshalb unerfüllten Liebe kreiert Alban Berg ein System musikalischer Zahlencodes, Anagramme und Zitate. Jedes noch so kleine Detail bekommt eine geheime Bedeutung. Eine Schöpfung, die an Obsession grenzt. Die „Lyrische Suite“ ist das wohl verschlüsseltste Werk der modernen Kammermusik, mit einem Geständnis an die Eingeweihten.

Wer die Eingeweihten waren, warum alles so pathetisch zuging und wie viele Frauen es für ein Meisterwerk bedarf, verrät an diesem Abend die Schauspielerin Verena Noll in der szenischen Einführung. Sie erzählt eine 100 Jahre alte Geschichte und liest aus den geheimen Briefen Alban Bergs an Hanna Fuchs. Briefe, die unbeantwortet, aber gut aufbewahrt blieben. 

In der anschließenden Aufführung der „Lyrischen Suite” durch das Zentaur Quartett, Spezialistinnen für moderne und zeitgenössische Musik, wird diese musikalische Gefühlsachterbahn für das Publikum hautnah erlebbar, während der Videokünstler Murat Haschu den Code knackt und die verborgenen Spuren der Partitur in bewegte Bilder übersetzt. Seine visuelle Umsetzung begleitet die gesamte Dauer der Musik, intensiviert das Erlebnis und eröffnet dem Publikum eine tiefere Dimension.

Eine Produktion vom Büro für kulturelle Übersetzungen e.V. in Kooperation mit der Schaubühne Lindenfels gefördert durch die Stadt Leipzig, Kulturamt.
Tickets in der Schaubühne, online über www.schaubuehne.com und an allen Reservix-VVK-Stellen: 18 / 12 (erm.) Euro

LULU
Performance von Lulu Obermayer | in deutscher und englischer Sprache

Lulu Obermayer inszeniert in ihrer künstlerischen Praxis Begegnungen mit Frauenfiguren aus dem Kanon. Nach einer Titelheldin selbst benannt, konfrontiert sich die Künstlerin in ihrer Solo-Performance nun mit ihrer Namensgeberin und spiegelt sich in der dramatischen Figur wider. Lulu gilt als Projektionsfläche männlicher Fantasie, man scheint sich darauf zu einigen, wer Lulu ist: eine Femme Fatale, die sich selbst und ihre Umwelt ins Verderben bringt. Es wird behauptet, dass Lulu als Spiegel fungiert. Doch welche Lulu blickt zurück, wenn Lulu in den Spiegel schaut?

Um ein komplexeres Bild der Figur zu entwerfen, spürt die Künstlerin Quellen auf, die mit Lulu in Verbindung stehen und beschwört einen séancegleichen Schauplatz, beruft sich auf ihre Vorgängerinnen und bringt sie ins Gespräch. Der Monolog wird so zum Dialog. Als Vorlagen dienen ihr die Theaterstücke „Der Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ von Frank Wedekind, die Autobiografie von Tilly Wedekind „Lulu, die Rolle meines Lebens“, der Film „Die Büchse der Pandora“ von G.W. Pabst und die Memoiren von Louise Brooks „Lulu in Hollywood“ als auch die Oper „Lulu“ von Alban Berg und „Lulu unchained“ von Kathy Acker.

„Ein ungeheuer Freigeist offenbart sich da im Laufe einer dicht komponierten, betörend schönen Stunde.“ (Abendzeitung)
Tickets in der Schaubühne, online über www.schaubuehne.com und an allen Reservix-VVK-Stellen: 18 / 12 (erm.) Euro



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