Das Festivalmotto Nach der Angst zieht sich durch die insgesamt sechs Reihen, die neben der Offiziellen Auswahl das Filmprogramm des Festivals bilden.
Vor dem Hintergrund aktueller politischer Ereignisse und der Erschütterung demokratischer Werte beleuchtet DOK Leipzig in der 60. Jubiläumsausgabe, inwiefern Filmkunst neue Perspektiven auf die Zukunft eröffnen kann. 100 Jahre nach der Oktoberrevolution und nach 60-jähriger Festivalgeschichte fragt DOK Leipzig, was nach der Angst passiert und welches kreative Potenzial sie gar birgt.
So zeigt etwa das Sonderprogramm Animationsfilm, dass der Umgang mit Angst nicht immer ein ernster sein muss. Die Retrospektive setzt sich mit den Bildsprachen des Kommunismus auseinander und zieht die Verbindung zur Gegenwart, unter anderem zur derzeitigen politischen Lage in den USA.
Der Länderfokus Georgien befasst sich mit dem postsowjetischen Staat und dessen künstlerischer wie geschichtlich motivierter Suche nach neuen Selbstbildern. Die Hommage nähert sich der Angst psychologisch und auf experimentelle Weise. Wie die Flucht aus der Realität gleichzeitig Risiken wie Freiheiten mit sich bringt, nimmt das Jugendprogramm in den Blick.
Im Rahmen der Sonderprogramme laufen in diesem Jahr rund 170 Filme, die zwischen 1928 und 2017 entstanden sind. Zahlreiche Filmemacher/innen werden während der Festivalwoche von 30. Oktober bis 5. November anwesend sein.
Die Retrospektive läuft unter dem Titel Kommandanten – Vorsitzende – Generalsekretäre. Kommunistische Herrschaft in den Bildsprachen des Films. 100 Jahre nach der Oktoberrevolution präsentiert das Festival Filme unterschiedlichster geografischer Herkunft und von damals und heute, manche tief in der Ideologie verwurzelt und andere aus der Distanz blickend, um so ein vielschichtiges Bild des Kommunismus zu zeichnen.
Darunter sind Werke von Santiago Álvarez, Rithy Panh, Agnès Varda und Milo Rau. Außerdem geht die Retrospektive der These nach, dass sich geschichtliche Ereignisse meist zweimal ereignen: einmal als Tragödie, ein zweites Mal als Farce. Seinen Ängsten seit der Wahl von Donald Trump stellt sich der US-amerikanische Filmemacher Jay Rosenblatt in seinem neuesten Werk, den DOK Leipzig als Internationale Premiere zeigt. Die Retrospektive wird gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Eine DEFA Matinee und eine Matinee in Kooperation mit dem Sächsischen Staatsarchiv ergänzen die Retrospektive.
Der Länderfokus Georgien beleuchtet eine Region, die seit dem Ende der kommunistischen Herrschaft darum ringt, einen neuen Platz zwischen Ost und West zu finden. Unterdessen hat sich eine florierende Filmlandschaft rund um aufstrebende Regisseur/innen entwickelt, die wagemutig mit einer Vielzahl zeitgenössischer Tendenzen experimentieren und spielerisch-reflexiv ihr Selbstbild thematisieren.
Dabei setzen sie sich auch kritisch mit der Tradition des sowjetischen Dokumentarfilms auseinander. Teil des Länderfokus, der in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung entstanden ist, sind Werke von mittlerweile international bekannten Regisseur/innen wie Salomé Jashi oder Nino Kirtadze und von neuen Talenten, darunter Rati Oneli oder Tamta Gabrichidze.
Um Perspektivwechsel geht es auch in der Hommage, die mit Jay Rosenblatt dem Meister im Umgang mit Archivmaterial gewidmet ist. Indem er vorgefundene Filmsequenzen aus dem ursprünglichen Zusammenhang nimmt, setzt er in seinen Werken neue Bedeutungen frei. Jay Rosenblatts Zugang ist psychologisch, er konfrontiert in seinen kunstvollen Filmcollagen sich selbst und die Zuschauer mit den eigenen Gefühlen. Die Hommage vereint seine wohl bekanntesten Filme „Human Remains“ oder „The Smell of Burning Ants“ genauso wie aktuelle Arbeiten, darunter „The Kodachrome Elegies“. Ein Teil von Rosenblatts Werken ist Bestandteil der ständigen Sammlung des MoMA New York.
Das Sonderprogramm Animationsfilm widmet sich den verschiedenen Facetten der Angst. Furchteinflößenden Szenarien werden mit Mitteln der Komik, der Konfrontation aber auch der Visualisierung vom Überleben und Überwinden dieser Ängste begegnet. Einige Filme gehen lustvoll mit dem Thema Angst um, wieder andere sind düster und grenzen an das Horror-Genre. Gezeigt werden unter anderem Filme von Signe Baumane, Mariola Brillowska oder Jan Švankmajer.
Das Jugendprogramm Escaping Realities versammelt Filme, die sich mit diversen Formen der Realitätsflucht auseinandersetzen, von Kostümierung über Rollenspiele bis hin zum selbstgewählten Leben auf der Straße. Gleichzeitig hinterfragt das Programm die Grenzziehung zwischen Wirklichkeit und Fiktion ebenso kritisch wie augenzwinkernd.
Auch für die jüngsten Festivalbesucher/innen ab 3 Jahren gibt es mit dem Programm KIDS DOK ein vielseitiges und kindgerechtes Filmangebot aus Animations- und Dokumentarfilmen, die den Protagonist/innen, allesamt Kinder, auf Augenhöhe begegnen.
Das Programm der Sonderreihen ist entstanden durch Ralph Eue, Marcel Maïga, Zaza Rusadze, Franziska Bruckner, Kim Busch, Lina Dinkla und Leena Pasanen.