Die gruppe tag bringt in der Schaubühne Lindenfels die Abschlusspräsentationen des Projektes „class matters – Die feinen Unterschiede” zur Aufführung. In der szenischen Feldanalyse mischen Performer*innen und Publikum Klassen, Schichten und Milieus neu.
Von der Klassengesellschaft zu sprechen ist von gestern. Oder doch nicht? „Es ist immer wieder bestürzend, wie unmittelbar fotografierte Körper aus der Vergangenheit einen sozialen Körper darstellen, den Körper einer Klasse“, sagt Didier Eribon in „Rückkehr nach Reims”, seiner Autobiografie eines gesellschaftlichen Aufsteigers. Klassenverhältnisse bestimmen unsere Körper, unseren Geschmack, unser Geschlecht und unsere Beziehung zu anderen. Klassenverhältnisse trennen und verbinden. Mit oder ohne Klassenbewusstsein.
In „Die feinen Unterschiede” repräsentieren Performer*innen und Publikum diese unsichtbaren Grenzen mit den Mitteln des Theaters. Solche „feinen Unterschiede” erzählen von unseren kulturellen sowie sozialen Kapitalien und bilden den Nährstoff unserer gesellschaftlichen Urteilskraft. Inspiriert durch Pierre Bourdieus Feldstudien und ausgehend von den in Didier Eribons „Rückkehr nach Reims” verhandelten Perspektiven auf Klasse und Biografie, hat die gruppe tag ihr Ensemble erweitert.
In einer Reihe offener Workshops befragte die Gruppe Leipziger*innen auf ihren soziokulturellen Hintergrund und ihre Partizipationsmöglichkeiten in der Gesellschaft. Dafür versammelte sie Leiharbeiter*innen, Angestellte, Erwerbslose und Werkarbeiter*innen. In „Szenischen Feldanalysen" wurden im Herbst 2018 im Ost-Passage Theater Leipzig Mechanismen für ein Spiel von Performer*innen und Zuschauer*innen mit soziokulturellen Hintergründen sowie moralischen, politischen und ästhetischen Einstellungen entwickelt. Das gesammelte Material kommt nun in Form eines Publikumsexperiments auf die Bühne. Mit Gästen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen werden mit Blick auf Wohnen, Rente, Erbe, Herkunft, Arbeitskampf und soziale Mobilität im gemeinsamen Spiel Klassen, Schichten und Milieus neu gemischt sowie soziokulturelle Hintergründe und moralische, politische und ästhetische Einstellungen ausgelotet. Das Theaterkollektiv gruppe tag entwickelt seit 2008 Stücke und performative Formate. Sein Performen, Spielen und Schreiben entsteht oftmals an der Schnittstelle zur Soziokultur und politischem Diskurs und wird gemeinsam mit den jeweiligen Ensembles erarbeitet. Die Arbeiten verfolgen einen partizipativen Ansatz, der sich bis zu den Zuschauer*innen fortsetzen kann.
Premiere: Fr, 3. Mai | 20 Uhr im Ballsaal der Schaubühne Lindenfels
Weitere Vorstellungen: Sa, 4. und Mo, 6. Mai | jeweils 20 Uhr
Vorverkauf und Abendkasse: 15 (Soli-Preis) / 12 (voll) / 8 (erm.) Euro