Im Rahmen seines Jahresthemas Human Nature lädt der D21 Kunstraum zu zwei filmischen Exkursionen mit Gesprächs- und Erlebnischarakter im Leipziger Westen ein. Die Screenings finden Open-Air im LURU Kino auf der Spinnerei statt.
“Wir möchten dazu einladen, mit uns herauszulaufen, auszulaufen, überzulaufen, abzuschweifen, um gemeinsam die Fixierung auf den Zeigefinger zu verlernen oder die Zeigefinger im Umgang mit „der Natur da draußen“ zu enthierarchisieren und umzuverteilen, die Lernziele abzuschaffen.”
(Nanna Heidenreich & Marcus Held, Kurator:innen der Filmreihe)
Exkursion 1: Unsichtbare Stimmen
24.07.2021, ab 15 Uhr – Open End
Die Wahrnehmungsmöglichkeiten sind die Grundlage dafür, wie sich Welt für uns darstellt und konstituiert. Um dafür zu sensibilisieren, wendet sich die Exkursion dem Ab- und Ausgeblendeten zu und besucht die Fledermäuse auf dem ehemaligen Güterbahnhof Plagwitz sowie die Unterwasserumwelten des Karl-Heine-Kanals. Fledermäuse und Wasserinsekten scheinen uns fern, lautlos und unsichtbar, genau deshalb sollen sie Begleiter:innen dieser Exkursion sein.
Treffpunkt: Karl-Heine Straße, auf der König Albert Brücke (Teilnahme nur nach vorheriger Anmeldung unter office@d21-leipzig.de möglich)
15.00 – 16.30 Uhr Karl-Heine-Kanal (Hörversuche in Unterwasserumwelten)
Pause / Weg zum Kino
17.00 – 19.00 Uhr LURU Kino
Screening: Félix Blume Curupira (35 min)
Screening + Gespräch: Katharina Wittmann Echo (12 min)
Pause
21.00 Uhr – Open End Impuls: IG Fledermausschutz Leipzig, Brache Plagwitzer Bahnhof
(Hören in den Umwelten der Fledermäuse)
Curupira (2018), 35 min
Im Herzen des Amazonasgebietes laden uns die Dorfbewohner von Tauary ein, mit ihnen die Geräusche ihres Waldes zu belauschen, seine Tierstimmen, seine Vogelrufe. Es lassen sich jedoch auch andere, eigenartige Laute unterscheiden: etwas treibt zwischen den Bäumen sein Wesen. Curupira. Der im Walde haust ist eine Reflexion über den Mythos und seinen Platz in unserer Gegenwart. Ein Hör-Thriller in der Tiefe des Urwalds.
Echo (2020), 12 min, experimenteller Dokumentarfilm
Echo handelt von der Geschichte des verlassenen Hauses meiner Familie in Hohenburg (Oberpfalz/Bayern). Ungestört hat sich dort die einzige Kolonie der »Großen Hufeisennase« in Deutschland angesiedelt. Truppenübungsplätze entpuppen sich als erstaunliche Biotope für viele, vor allem auch seltene oder alte Pflanzen- und Tierarten (Katharina Wittmann).
Exkursion 2: Untergetauchte Kontinuitäten
31.07.2021, ab 14 Uhr
Der Begriff des Lebensraums bezeichnet Lebensgemeinschaften aller Arten, Biotope, Biome, Habitate, Biosphären. Im Kolonialismus und Nationalsozialismus wurde daraus ein völkischer und rassistischer Anspruch, der auch in konkreter Landschaftsgestaltung Ausdruck fand. Aktuelle ökofaschistische Bewegungen machen deutlich, dass auch Begriffe wie Natur- oder Tierschutz nicht ohne politisches Gewicht und geschichtliche Last zu verwenden sind.
Beginnend an einem Ort der Seidenraupenzucht für die Produktion von Fallschirmseide für die Wehrmacht wird sich die Exkursion zum Lindenauer Hafenbecken bewegen. Nach dem 2. Weltkrieg dort versenkte Munition dringt seit Ende 2020 wieder an die Oberfläche, auch weil bewusst und intensiv nach ihr gesucht wurde. Gemeinsam wird diese Suche nach bewusst und unbewusst versenkten Kontinuitäten auf Konzeptionen und Ideologien von Natur ausgedehnt.
Treffpunkt: Kleingartenverein Hoffnung West, Vereinshaus (Teilnahme nur nach vorheriger Anmeldung möglich, Anmeldung unter: office@d21-leipzig.de)
14.00 – 15.15 Uhr: Gespräch mit Deborah Jeromin über ihre Arbeit zur NS-Seidenraupenzucht und die Wege deutscher Fallschirmseide auf Kreta (KGV Hoffnung West)
15.30 – 16.15 Uhr: Weg zum Lindenauer Hafen
16.30 Uhr: Impuls von Anna-Katharina Wöbse (Umwelthistorikerin)
17.15 – 18.15 Uhr: Pause / Weg zum Kino
21.30 / 22.00 Uhr: LURU Kino Open-Air
Screening: Deborah Jeromin Verwundene Fäden (40min)
Screening + Gespräch: Clemens von Wedemeyer Die Pferde des Rittmeisters (10min)
Verwundene Fäden/Μπερδεμένες κλωστές (2020), 40 min
künstlerischer Dokumentarfilm, 2020
Noch heute säumen Maulbeerhecken die Gänge des Leipziger Kleingartenvereines. Sie wurden Ende der 1930er Jahre für die NS-Seidenraupenzucht gepflanzt. Der Film folgt dem Weg der Seide für Fallschirme – von der NS-Seidenraupenzucht als Propaganda-Programm über die Luftlandeschlacht auf Kreta 1941 bis hin zur dortigen Wiederverwendung der Fallschirme als Taschentücher.
Die Pferde des Rittmeisters, Deutschland (2015)
10 min, HD, übertragen von 16 mm, Farbe und s/w, Ton, 10 min
16mm-Material aus dem Nachlass des Amateurfillmers Harald von Vietinghoff -Riesch
Die kommentierte, chronologische Montage drängt die Pferde der Wehrmacht und die vor ihr flüchtenden Zivilisten in ein Bild des Krieges. Der Film ist Teil des Projektes P.O.V. (Point of View) von Clemens von Wedemeyer, in dem er sich mit dem subjektiven Blick des Kameramannes hinter der Front beschäftigt.