Ab September 2023 ist das Capa-Haus Leipzig dauerhaft wieder geöffnet. Damit steht eine der wichtigsten Leipziger Erinnerungsstätten an die NS-Herrschaft und Befreiung 1945 sowie an das Themenfeld Krieg und Frieden der Öffentlichkeit wieder zur Verfügung. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit des Stadtgeschichtlichen Museums mit dem an diese symbolträchtige Stätte gezogenen Verlag Hentrich & Hentrich sowie der Initiative Capa-Haus ermöglicht zudem die Neuprofilierung zum Begegnungszentrum.
Kaum ein Gebäude erinnert authentischer an die Befreiung Leipzigs vom Nationalsozialismus als das Eckhaus Jahnallee 61 im Leipziger Westen. Hier entstand die weltbekannte Fotoserie »Last Man to Die« des amerikanischen Kriegsfotografen Robert Capa, der am 18. April 1945 den Tod des jungen Soldaten Raymond J. Bowman dokumentierte. Als aufrüttelndes Zeugnis der Opfer von Krieg und Befreiung ging dieses vom Time Magazine veröffentlichte Bild um die Welt.
Die Bilder entstanden bei Kämpfen zwischen der anrückenden 2. Infanteriedivision der US Army und deutschen Soldaten, die am Elsterflutbecken letzten Widerstand leisteten. Erst Jahrzehnte später, um den Jahreswechsel 2011/12 führten Nachforschungen der Bürgerinitiative Capa-Haus zur Identifizierung des toten amerikanischen Soldaten. Mit Lehmann Riggs konnte zudem ein amerikanischer Zeitzeuge gefunden werden, der in unmittelbarer Nähe den Tod seines Kameraden erlebte.
Der historische Ort war nach jahrelangem Leerstand, Verfall und mehrfachem Besitzerwechsel in extrem schlechtem baulichen Zustand, so dass im Jahre 2011 eine Abrissgenehmigung erteilt worden war. Als der Dachstuhl des Nachbarhauses in der Silvesternacht 2011/12 Feuer fing, schien das Schicksal des Gebäudes endgültig besiegelt zu sein. Ab Ende 2011 entfaltete die Bürgerinitiative öffentlichkeitswirksame Aktivitäten zum Erhalt des Gebäudes. Eine erste Notsicherung durch das Bauamt der Stadt Leipzig erfolgte. Im September 2012 wurde das Haus an die L&S-Immobiliengruppe verkauft, die eine Notsicherung durchführte. Die Stadt Leipzig betonte ihr Interesse am Erhalt des Hauses. Die L&S-Immobiliengruppe reichte einen Bauantrag zur Sanierung ein, der im Juni 2013 genehmigt wurde. Nach der aufwendigen Planungsphase begann 2014 die denkmalgerechte Rekonstruktion des Hauses und der beiden Nachbargebäude, in denen 40 Wohnungen und Gewerbeeinheiten entstanden.
Die Bürgerinitiative richtete mit Unterstützung des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig 2016 einen Ausstellungsraum im Erdgeschoss ein, der an die Ereignisse vom April 1945 erinnert und das Wirken des Fotochronisten Robert Capa würdigt. Mit dieser Ausstellung entstand unter dem programmatischen Titel »War is over« ein Ort des Gedenkens und der Mahnung für den Frieden, der auch alljährlich am 18. April Schauplatz einer bewegenden Gedenkzeremonie ist, die eine zentrale Rolle auch für die deutsch-amerikanischen Beziehungen im Raum Leipzig spielt. Im Rahmen des beliebten Café Eigler war dieser Raum noch bis 2021 regelmäßig geöffnet.
Nach langer Schließung und wechselnden temporären Öffnungszeiten erhält das Capa-Haus nun dank der auf einen Stadtratsbeschluss zurückgehenden langfristigen Anmietung durch die Stadt Leipzig und mit Einzug des Hentrich & Hentrich Verlags eine langfristige Perspektive und zugleich ein neues Profil. Als lebendiger und offener Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Begegnungsort präsentieren sich hier nun das Stadtgeschichtliche Museum, der Verlag, die Initiative Capa-Haus und die neu gegründete Capa Culture gGmbH in einem erinnerungskulturellen Verbund, bei dem nicht nur Robert Capa, sondern auch seine Partnerin, die bereits 1937 im spanischen Bürgerkrieg ums Leben gekommene (Kriegs-)Fotografin Gerda Taro, im Fokus steht.
„Der Leipziger Stadtrat hat mit seiner Beschlussfassung anerkannt, dass die Rettung, Sanierung und Öffnung des 2011 bereits zum Abriss vorgesehenen Capa-Hauses eine bürgerschaftliche Großtat war, die in der Öffentlichkeit als ein Musterbeispiel für eine lebendige kommunale Erinnerungskultur gilt. Mit der nun gegebenen langfristigen Erhaltungsperspektive können wir im Verbund der Akteure diesen wichtigen Erinnerungsort zukunftsweisend profilieren und dabei auch strukturell neue Wege der Betreibung und Veranstaltungsplanung beschreiten. Im Reigen der Themenhäuser des Stadtgeschichtlichen Museums hat genau ein solcher Ort der gelebten Partizipation und der Erinnerung an Krieg, Befreiung und NS-Herrschaft gefehlt. Wir leisten damit einen gewichtigen Beitrag für den von Themen der neuzeitlichen Stadtentwicklung, des Widerstandes und der sozialen Bewegungen geprägten Geschichtsraum im Leipziger Westen.“ so Dr. Anselm Hartinger, Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig.
„Der ‚Erinnerungsort Capa-Haus‘ kann im besten Fall modellhaft für eine erfolgreiche Partnerschaft von öffentlichen und privaten Akteuren auf Augenhöhe werden. Die CAPA Culture gGmbH verantwortet seine Veranstaltungen und Sonderausstellungen. Der ebenfalls hier ansässige Hentrich & Hentrich Verlag für jüdische Kultur und Zeitgeschichte unterstützt das Projekt sowohl fachlich als auch personell. Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig kuratiert und entwickelt die Dauerausstellung. Wir verstehen den ‚Erinnerungsort Capa-Haus‘ als Raum kritischer Geschichtsarbeit, wo neben dem Ende des Zweiten Weltkrieges, des Nationalsozialismus und deren Aufarbeitung auch Widerstand, Resilienz und der Kampf um Demokratie aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden, wobei der fotografische, jüdische und auch weibliche Blick besondere Aufmerksamkeit erfahren sollen.“, sagt Dr. Nora Pester, Verlegerin des Hentrich & Hentrich Verlags und Gesellschafterin der CAPA Culture gGmbH.
Capa-Haus
Jahnallee 61
04177 Leipzig
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 11-16 Uhr
Jeder 3. Sonntag im Monat: 11-16 Uhr
Eintritt: frei
Führungen auf Anfrage